WELCHE BEDEUTUNG HABEN ‚NEUE MEDIEN‘ FÜR DEN FREMDSPRACHENUNTERRICHT?

Herr Dr. Ulrich Zeuner (Seminardozent) geht in seiner Textfassung für einen Vortrag auf der Alumnitagung des Lehrstuhls Deutsch als Fremdsprache am Institut für Germanistik der TU Dresden im November 2013  (Abschnitt 2+3) dieser Frage nach.  Grundlegende Gedanken und Erläuterungen von Herrn Dr. Zeuner werden im folgenden Artikel aufgegriffen und vorgestellt.

Welche Bedeutung haben ,neue Medien‘ für den Fremdsprachenunterricht?

,Neue Medien‘ eröffnen dem Deutschlerner ,neue‘ Möglichkeiten.

Die im Vorfeld  schon erwähnten Attribute Interaktivität, Hypertext und Virtualität des Web 2.0, geben dem Lerner, der hier zum Nutzer wird, die Möglichkeit,  ein aktiver Teil eines Lernnetzwerkes zu werden.

Interaktivität bezeichnet dabei nicht nur das wechselseitige Agieren zwischen Mensch und  Internet, sondern vielmehr eine Kommunikation, die zwar nicht face-to-face (ausgenommen von Live-Chats) stattfindet, doch aber einen wechselseitigen, kollaborativen und noch dazu authentischen Informations-, Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den Nutzern/Lernern erlaubt. Das Internet ersetzt dabei das Klassenzimmer, die primäre Wirklichkeit ersetzt durch eine künstliche, virtuelle Welt. Lernen ist somit nicht mehr nur an einen Ort (Schule, Universität, Abendschule ect.) gebunden, sondern eröffnet dem Lerner die Möglichkeit, über Landesgrenzen, Entfernungen und Kulturkreise hinweg mit anderen Lernern gemeinsam zu kommunizieren, zusammenzuarbeiten und Erkenntnisse, Wissen und Erfahrungen aufzubauen und auszutauschen. (Vgl. http://uzeuner.wordpress.com/2013/07/31/landeskunde-und-neue-medien/ am 12.11.2014) Nicht nur die räumliche Beschränkung wird durch die Nutzung des Web 2.0 aufgehoben, sondern auch die zeitliche Gebundenheit aufgelöst. Denn digitale Informationen sind überall und jederzeit als Grundlage für den Lerner verfügbar. Aufgaben, Texte oder andere Materialien, die Lerngrundlage bieten, können zeitlich-unabhängig, individuell bearbeitet werden. Der Hypertext lässt sich in dieser Analogie nur schwer einbetten, jedoch steht dem Lerner  „[…] im Gegensatz zu einem einfachen Text mit geradliniger Textabfolge, ein Netz von Texten, die miteinander verbunden sind“ (http://www.wissen.de/neue-medien am 10.11.2014), zur Verfügung.

Lernen heißt heutzutage, sich im Internet die aktuellen Informationen zu beschaffen, Wissen und Ideen mit anderen im Rahmen der sich herausbildenden, webgestützten sozialen Netzwerke zu teilen und zu diskutieren und selbst aktiv zu den in diesen Netzwerken verfügbaren Inhalten beizutragen.“ (http://www.dadalos-d.org/web20/lernen_20.htm am 11.11.2014)

Wie kann es gelingen, Altmayers Definition des ,kulturellen Lernens‘, dessen Ziel Fremdverstehen ist, mit dem im Zitat beschrieben ,Lernen‘ zu vereinbaren?  Nachfolgende Übersicht gibt einen Einblick, welche Anwendungen und Dienste des Web 2.0 für die jeweiligen Teilschritte des kulturellen Lernens geeignet sind.

kulturelles Lernen im Web 2.0

Quelle: http://uzeuner.wordpress.com/2013/07/31/landeskunde-und-neue-medien/ am 12.11.2014

Wenn Lernen durch die Nutzung von Social Media und dessen Werkzeuge kollaborativ, individueller und selbstbestimmter, zeitlich- und räumlich unbegrenzt ist, welche Rolle kommt dann noch dem Lehrer zu? Der Lehrende muss in diesem Kontext eine neue Stellung einnehmen, er sollte nicht länger als bloßer Wissensvermittler agieren, sondern als Moderator oder Lernbegleiter ein Teil des Lernnetzwerkes werden. In diesem Sinne sollte er Lerner und Studierende unterstützen und darauf vorbereiten, ein solches Lernnetzwerk aufzubauen und nutzen zu lernen. (Vgl. http://uzeuner.wordpress.com/2013/07/31/landeskunde-und-neue-medien/ am 13.11.2014) Ebenso wichtig und bedeutend ist die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen wie ,Web Literacy‘ durch den Lehrenden. ,Web Literacy‘ beschreibt dabei die Fähigkeiten und Kompetenzen für das Lesen, Schreiben und Teilnehmen am Internet.(Vgl. https://wiki.mozilla.org/Webmaker/WebLiteracyMap am 13.11.2014) Zu diesen Kompetenzen zählen vor allem zu lernen, kritisch mit Texten und anderen Materialien umzugehen, denn wie an anderer Stelle  erwähnt, verdrängt das ,Wissen der Vielen‘ das Expertenwissen; Orientierungswissen verdrängt Faktenwissen, das immer schneller veraltet. (Vgl. (http://www.dadalos-d.org/web20/lernen_20.htm am 13.11.2014)

Nicht nur Lehren muss also im Zeitalter des Social Media neu definiert werden, sondern auch Lernen muss einen neuen Rahmen erhalten. ,Neue Medien‘ und deren Nutzung erheben somit den Anspruch, alles bisher Dagewesene neu zu überdenken und neue Wege zu schaffen.  So wird Lernen heutzutage mehr denn jemals zuvor als ein lebenslanger Prozess verstanden.

Der von Michael Wesch im Juni 2008  an der University of Manitoba gehaltene Vortrag “A Portal to Media Literacy” (deutsche Zusammenfassung von Herrn Dr. Zeuner) enthält eine konstruktivistische Vorstellung von Lernen, die sehr gut für das Lernen mit neuen Medien geeignet ist. (Vgl. http://uzeuner.wordpress.com/2013/07/31/landeskunde-und-neue-medien/ am 13.11.2014)

Wesch versteht unter Lernen keinen reinen Informationserwerb, sondern Lernen bedeutet für ihn, Informationen zu diskutieren, zu bezweifeln, zu kritisieren, zu teilen und zu schaffen. Ferner heißt Lernen für ihn, bedeutungsvolle Verbindungen zwischen Informationen zu erzeugen, um dadurch Bedeutung zu erschaffen. Weschs Definition von Lernen passt nicht nur zu der Vorstellung, was Lernen mit neuen Medien bedeutet, sondern gleichzeitig zu Altmayers Formulierung des ,kulturellen Lernens‘. Denn zum einen sollte der Fremdsprachenlerner stets sein vorhandenes Wissen und seine bereits gesammelten Erfahrungen auf neue ,Informationen‘ anwenden, um somit eine ,bedeutungsvolle Verbindung‘ zwischen diesen zu erzeugen.  Mit anderen Worten sollte der Lerner in der Lage sein, automatisch auf bereits vorhandenes Wissen zurückzugreifen, um neue Informationen zu verarbeiten. Dadurch wird eine Brücke zwischen bereits Existierendem und Neuem geschlagen, wobei eine Erweiterung von Sinnzusammenhängen entsteht. Zum anderen sollte der Fremdsprachenlerner durch Reflexion, Anpassung,Umstrukturierung, Veränderung oder Weiterentwicklung die im Text angelegten kulturellen Deutungsmuster im eigenen Verstehensprozess aktivieren und für die subjektive Sinnzuschreibung nutzen. Neuen Informationen bzw. Texten einen kulturell angemessenen Sinn zuschreiben, d.h eine gehaltvolle ,Bedeutung zu erschaffen‘, um schließlich dazu angemessen Stellung nehmen zu können, sollte Ziel eines jeden Lerners sein. (Vgl. Altmayer, 2007, S.17f)

Herr Dr. Zeuner stellt in diesem Zusammenhang in seiner Textfassung für einen Vortrag auf der Alumnitagung des Lehrstuhls Deutsch als Fremdsprache am Institut für Germanistik der TU Dresden im November 2013  (Abschnitt 3) den konnektivistischen Ansatz von George Siemens ( What is Learning: http://www.connectivism.ca/?p=14) vor, der die Erschaffung von Bedeutung noch nicht als Lernen, sonder als Wissen definiert. Wissen erschließt sich aus dem Verstehensprozess der kontextuellen Informationen oder aus Informationen mit semantischer Bedeutung. Informationen sind hierbei als gesammelte Daten, d.h originale Sachverhalte und Symbole, zu verstehen, die gegliedert, interpretiert, aufbereitet und verwendbar für den Zweck gemacht wurden. Lernen ist schließlich das zur Handlung gebrachte Wissen.

Die nachfolgende Tabelle, entworfen von Herrn Dr. Zeuner , wobei die ersten zwei Spalten aus einer Tabelle im Kapitel „Lernen 2.0“ des Online-Lehrbuch Web 2.0. stammen, fasst abschließend die erworbenen Erkenntnisse zusammen.

traditionelle:kostruktivistische:konnektivistische vorstellungen


ALTMAYER, CLAUS: Von der Landeskunde zur Kulturwissenschaft. Innovation oder Modetrend? In: Germanistische Mitteilungen 65/2007. S. 7-21.

WELCHE BEDEUTUNG HABEN ‚NEUE MEDIEN‘ FÜR DEN FREMDSPRACHENUNTERRICHT?

WAS SIND ‚NEUE MEDIEN‘?

Um dem Inhalt des Seminars „Landeskunde und neue Medien“ näher zu kommen, ist es Bedeutsam im Vorfeld die Begrifflichkeiten ,Landeskunde‘ und ,neue Medien‘ konkreter zu definieren.

Die zweite Frage muss daher lauten: WAS SIND ‚NEUE MEDIEN‘?

Was sind ’neue Medien‘?

Eine Definition des Begriffes ,neue Medien‘ mit Hilfe des Internets zu finden, ist keine Schwierigkeit. Es existiert eine Fülle von Antworten auf diese Frage.

Als Einstieg eignet sich diese eher einfache Erklärung:

Der Begriff ,Neue Medien‘ ist längst nicht mehr ,neu‘, sondern bereits in die Jahre gekommen – was für die schnelle Etablierung der Medien steht.  Als neues Medium wurde Anfang des 20. Jahrhunderts das Radio bezeichnet, dann der Fernseher gefolgt vom Videotext. Den Terminus ,Neue Medien‘ verwendet man derzeit vor allem als Sammelbezeichnung für elektronische, digitale und interaktive Medien. Also beispielsweise für E-Mails, das World Wide Web, DVDs, Blue-rays oder CD-Roms. “ (http://www.wissen.de/neue-medien am 10.11.2014)

Es bedarf jedoch weiterer Explikation, um die Reichweite des Begriffs ,neue Medien‘ zu erfassen. So werden gegenwärtig vornehmlich ,neue Medien‘ mit den Inhalten und Diensten des Internets als produktiv nutzbare Plattform assoziiert. Denn Radio, Fernsehen und Film besitzen im Unterschied dazu ein reines Informationsangebot mit einer einseitigen Informationsvermittlung. Das heutige Internet, besser gesagt das Web 2.0, überwandt die Einbahnstraßen-Kommunikation der anderen Massenmedien durch Interaktivität, Hypertext und Virtualität. (Vgl. http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/web-2-0.html und http://www.wissen.de/neue-medien am 10.11.2014)

Unter dem Begriff Web 2.0 wird keine grundlegend neue Art von Technologien oder Anwendungen verstanden, sondern der Begriff beschreibt eine in sozio-technischer Hinsicht veränderte Nutzung des Internets, bei der dessen Möglichkeiten konsequent genutzt und weiterentwickelt werden. Es stellt eine Evolutionsstufe hinsichtlich des Angebotes und der Nutzung des World Wide Web dar, bei der nicht mehr die reine Verbreitung von Informationen bzw. der Produktverkauf durch Websitebetreiber, sondern die Beteiligung der Nutzer am Web und die Generierung weiteren Zusatznutzens im Vordergrund stehen.“ ( http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/web-2-0.html am 10.11.2014)

Fazit: Der Internetnutzer ist längst nicht mehr nur Konsument, sondern stellt als Prosument (Produzent+Konsument) selbst Inhalte zur Verfügung. Das klassische Sender-Empfänger-Modell wird somit aufgehoben und durch eine kollaborative, interaktive  virtuelle   Kommunikation ersetzt. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass sich jeder, vorausgesetzt er hat Zugang zu Internet, „[…] unabhängig von Hierarchien, nationalen Begrenzungen oder institutionellen Anbindungen […]“ (Belwe, 2008, S. 02), an globalen Kommunikationsprozessen beteiligen kann.

Die nachfolgende Grafik, von Online Lehrbuch Web 2.0,  macht die Unterschiede zwischen Web 1.0 und Web 2.0 deutlich:

Bildschirmfoto 2014-11-10 um 14.33.45

Web 2.0 ermöglicht die selbst organisierte Interaktion und Kommunikation der Nutzerinnen und Nutzer durch Herstellung, Tausch und Weiterverarbeitung von nutzerbasierten Inhalten über Weblogs, Wikis und Social Networks. Über kommunikative und soziale Vernetzung verändern die Nutzer die gesellschaftliche Kommunikation – weg von den Wenigen, die für Viele produzieren, hin zu den Vielen, aus denen Eins entsteht: das virtuelle Netzwerk der sozial und global Verbundenen.“ (Meckel,2008, S.17)

Erläuterungen zu den Elementen des Web 2.0, wozu unter anderem Blogs, Microblogging, Wikis, Media Sharing , Social Networks  und Webapps zälen,  lassen sich ausführlich erklärt im Online Lehrbuch Web 2.0 finden.

Der Gedanke, dass ,Viele‘ ,Eins‘ entstehen lassen, so innovativ und zeitgemäß er ist, sollte aber auch kritische betrachte werden, denn im Web 2.0 scheint die Weisheit der Vielen das Expertenwissen abzulösen.

Unser Begriff des Wissens aber ist dann nicht länger durch den Bezug auf eine relativ kleine Klasse von ausgewiesenen Experten geprägt; Wissen ist dann vielmehr zu verstehen als Resultat der vernetzten Kollaboration eines zunehmend großen Kreises von engagierten Amateuren, deren weitgehende Anonymität jegliche Rückschlüsse auf ihre Kompetenzen verbietet. (…) Wer zwischen der kollaborativen Wissensproduktion im Netz und dem Expertenwissen der Bücher einen klaren Gegensatz sieht, für den gilt: Die Weisheit der vielen triumphiert im Web 2.0 über das Wissen der Eliten.„(Münkler, 2009, S.99f)

An dieser Stelle sollte diese Problematik vielmehr nur genannt, als näher beleuchtet werden. Der Artikel „Weisheit der Vielen“ im Online Lehrbuch Web 2.0 hält tiefergehende Anmerkungen, Gedanken und Informationen zu dieser Thematik bereit.

Lesens- und empfehlenswert rund um die Themen neue Medien, Internet und Web 2.0 : „Neue Medien- Internet- Kommunikation“. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. 39/2008.


BELWE, KATHRIN: Editorial. In:. Aus Politik und Zeitgeschichte: Neue Medien -Internet – Kommunikation. 39/2008. S.02.

MECKEL, MIRIAM: Aus Vielen wird das Eins gefunden -wie Web 2.0 unsere Kommunikation verändert. In: Aus Politik und Zeitgeschichte: Neue Medien -Internet – Kommunikation. 39/2008. S.17-22.

MÜNKLER, STEFAN: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten. Die Sozialen Medien im Web 2.0. Frankfurt/Main, S. 99-100. In: http://www.dadalos-d.org/web20/denken_20.htm am 10.11.2014.

WAS SIND ‚NEUE MEDIEN‘?

WAS IST LANDESKUNDE?

Um dem Inhalt des Seminars „Landeskunde und neue Medien“ näher zu kommen, ist es bedeutsam, im Vorfeld die Begrifflichkeiten ,Landeskunde‘ und ,neue Medien‘ konkreter zu definieren.

Deshalb soll die erste Frage lauten: WAS IST LANDESKUNDE?

Bei der Beantwortung dieser Frage beziehen sich jegliche Erklärungen und Überlegungen auf zwei Texte von Herrn Prof. Dr. Altmayer.

ALTMAYER, CLAUS: Von der Landeskunde zur Kulturwissenschaft. Innovation oder Modetrend? In: Germanistische Mitteilungen 65/2007. S. 7-21.

ALTMAYER, CLAUS: Kulturwissenschaft – eine neue Perspektive für die Germanistik in Russland? In: Das Wort. Germanistisches Jahrbuch Russland 2012/2013. S. 11-29

Was ist Landeskunde?

„Kein Zweifel: die kulturwissenschaftliche Weiterentwicklung und Aufwertung der traditionellen Landeskunde ist derzeit so etwas wie ein ‘Megatrend’ innerhalb der Fremdsprachenwissenschaften.“(Altmayer, 2007,S.07)

Diesen ,Megatrend‘ zu verstehen, heißt zu verstehen, was Landeskunde als Kulturwissenschaft bedeutet. Claus Altmeyer geht dieser Frage in seinem Text „Von der Landeskunde zur Kulturwissenschaft – Innovation oder Modetrend?“ nach.

Prinzipiell ist Landeskunde essenziell für den Fremdsprachenlerner, denn nur so kann er die „inhaltlichen, ‘kulturellen’ oder bedeutungsbezogenen Aspekte von Sprache“ (Altmayer, 2007,S.08) erlernen. Wie Altmayer aber ferner feststellt, ist Landeskunde bisher ein schwammiges Gebiet, in dem Inhalte, Ziele und Vorgehensweisen alles andere als klar abgesteckt sind. Abhilfe soll die Anerkennung der Landeskunde als Kulturwissenschaft schaffen, indem „[…]subjektive Sinnzuschreibungen und damit die Perspektive der Subjekte und deren deutenden Zugang zur Welt gegenüber den objektiven Strukturen in den Humanwissenschaften stärker zur Geltung zu bringen.“ (Altmayer, 2007,S.09) Das angestrebte Ziel der Landeskunde als Kulturwissenschaft sollte es somit sein, zu einer „[…] Erleichterung und Verbesserung landeskundlicher Lernprozesse“. (Altmayer, 2007,S.09) beizutragen, indem den Lernern eine tiefer gehende Verstehens- und Verständigungskompetenz vermittelt wird, „[…] d.h. sie in die Lage versetzen, deutschsprachige Texte und Diskurse angemessen zu verstehen und angemessen zu ihnen Stellung nehmen zu können.“ (Altmayer, 2007,S.10) Dabei sollen bei den Lernern keine stereotypen und pauschalisierten Bilder über die Gesellschaft des Zielsprachenlandes produziert oder gar indoktriniert werden, sondern vielmehr ein Verstehensprozess der Bedeutungszuschreibung von gesellschaftlichen Strukturen hervorgerufen werden. Altmeyer bedient sich hierbei des Kulturbegriffs des amerikanischen Ethnologen Clifford Geertz. Dieser definiert Kultur als das „selbstgesponnene Bedeutungsgewebe“ (Geertz,1995,S.9) in das Menschen verstrickt sind. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich ein Kulturbegriff, der einen individuellen deutungsorientierten Charakter aufweist.

„Wir deuten die gemeinsame Welt und Wirklichkeit und orientieren uns handelnd in dieser Wirklichkeit auf der Basis von Mustern, die wir im Verlauf unserer Sozialisation erlernt haben, die wir in der Regel in Diskursen als allgemein bekannt und selbstverständlich voraussetzen, die aber auch selbst jederzeit zum Gegenstand diskursiver und kontroverser Deutungsprozesse werden können. So weit es sich bei diesen Mustern um überlieferte, im kulturellen Gedächtnis einer Gruppe gespeicherte und abrufbare Muster von einer gewissen Stabilität handelt, spreche ich von ‘kulturellen Deutungsmustern’, und dem Bestand an ‘kulturellen Deutungsmustern’, der einer Gruppe als gemeinsamer Wissensvorrat für die diskursive Wirklichkeitsdeutung zur Verfügung steht, nenne ich die ‘Kultur’ dieser Gruppe.“ (Altmayer, 2007, S.12f) 

Eigenschaften ,kultureller Deutungsmuster‘:

  • Muster helfen dem Individuum dabei, konkrete Situationen und Erfahrungen zu deuten und einzuordnen, ihnen somit einen bestimmten Sinn zuzuschreiben und sie (unreflektiert) auf  alltägliches Handeln anzuwenden
  • Muster müssen nicht immer wieder neu erfunden werden, sondern sind im kollektiven Wissensfundus einer Gruppe vorhanden, welches eine interne Gruppenkommunikation ermöglicht
  • Muster sind Wissenselemente, die auf viele konkrete Situationen anwendbares Wissen über einen bestimmten Erfahrungsbereich enthalten
  • verschiedenste Situationen können mehrere unterschiedliche und teilweise auch miteinander konkurrierende Muster bereithalten
  • Muster können jederzeit selbst zum Gegenstand unterschiedlicher und kontroverser Deutungen und Bewertungen werden

Fazit: Kulturelle Deutungsmuster sind in der alltäglichen oder medialen Kommunikation unabdingbar, sodass sie als allgemein und selbstverständlich anerkannt werden, auch wenn sie dies nicht immer sind. Genau das bildet eine potenzielle Quelle für das Nicht- und Falschverstehen des Fremdsprachenlerners, der sehr wahrscheinlich über differente kulturelle Deutungsmuster verfügt. „Und hier liegt nun auch die Basis für das, was wir ‘landeskundliches’ oder – wie ich lieber sagen möchte – ‘kulturelles’ Lernen im Fremdsprachenunterricht nennen.“ (Altmayer,2007,S.14)

Bevor auf die Frage, was ,kulturelles Lernen‘ bedeutet, eingegangen werden soll, vorerst ein Einblick in die von Altmayer entwickelte Klassifizierung kultureller Deutungsmuster. In seinem Aufsatz „Kulturwissenschaft – eine neue Perspektive für die Germanistik in Russland?“ begrenzt, ordnet und systematisiert Altmayer die kulturellen Deutungsmuster in vier Arten: kategoriale Muster, topologische Muster, chronologische Muster und axiologische Muster.

Kategoriale Muster

Sie dienen besonders dazu, Menschen zu klassifizieren. Sich selbst und den Interaktionspartner in einer bestimmten Situation zu positionieren und in Bezug auf Herkunft, Nationalität, Geschlecht, Alter und Religion zu kategorisieren und bewerten. (Vgl. Altmayer, 2012/2013, S.22)

Topologische Muster

Sie dienen dazu, Ordnung im Raum herzustellen und uns im Raum zu orientieren.“ (Altmayer, 2012/2013, S.22). Ob Himmelsrichtungen, Länder und deren Grenzen, Kontinente, Kulturkreise oder Begrifflichkeiten wie ,Heimat‘, ,Reisen‘ oder ,Dorf‘ zählen zu den topologischen Mustern. Wobei damit nicht ausschließlich Ortsangaben und Richtungen gemeint sind, sonder eine positive oder negative, in jedem Fall eine emotionale assoziative Konnotation der Termini mitschwingt.

Chronologische Muster

Sie haben die Funktion, Ordnung in der Zeit herzustellen und schaffen Orientierung in Bezug auf zeitliche Verhältnisse. Dabei unterscheidet Altmeyer in ,temporale‘ und ,mnemologische‘ Muster. Ersteres beschreibt den Ablauf der Zeit, wie Minute, Stunde, Tag, Woche, Jahr sowie die alltäglich Ordnung der Zeit durch Kalender, Jahreszeiten Wochentage, Feste und Feiertage. „Bei ‚mnemologischen’ Mustern geht es darum, wie wir vergangene Zeit in der Gegenwart und für die Zukunft repräsentieren und nutzbar machen, anders formuliert: es geht um Erinnerung.“ (Altmayer, 2012/2013, S.23)

Axiologische Muster

Sie helfen Menschen, Wertungen vorzunehmen. Basierend auf allgemeinen Werten und Normen, die das Handeln und Denken der Menschen beeinflussen, sind axiologische Muster der deutende Zugriff auf die Welt. Wertkonzepte wie ‚Menschenwürde‘, ‚Freiheit‘, ‚Gerechtigkeit‘, ,Solidarität‘, ‚Glück‘ ebenso alltägliche Dinge wie Geld‘, Ordnung‘ oder ‚Gemütlichkeit‘ zählen zu dieser Kategorie. (Vgl. Altmayer, 2012/2013, S.23)

Was heißt ‚kulturelles Lernen‘?

Landeskunde muss „[…] die Lerner insbesondere mit einer Verstehens- und Verständi- gungskompetenz im Hinblick auf deutschsprachige Kommunikation, und zwar nicht zuletzt schriftliche oder textuelle Kommunikation, ausstatten.“ (Altmayer, 2007, S.15)

In der Landeskunde kommt es nicht selten zu der Problematik des Nichtverstehens oder des Falschdeutens. Der Grund dafür besteht darin, dass individuelle kulturelle Deutungsmuster der Lerner auf fremdsprachliche Texte treffen, die darauf abzielen, explizite Sinnzuschreibungen frei- und bestimmte kulturelle Muster voraussetzen. In der Auseinandersetzung und im Verstehensprozess ordnet der Lerner jedoch den Texten einen für sich schlüssigen und zufriedenstellenden (subjektiven) Sinn zu, der eben leider nicht immer der gewünschte ist. Der Landeskundeunterricht sollte deshalb darauf ausgelegt sein, dem Lerner ein weitgehendes Verständnis von Sprache und Kultur zu vermitteln. Als passendes und zukunftsorientiertes Werkzeug sieht Altmayer ,kulturelles Lernen‘. Es zielt darauf ab, die im Verstehensprozess angewandten Deutungsmuster zu reflektieren, in Frage zu stellen und gegebenenfalls andere auszuprobieren, d.h. die im Text angelegten Muster in dem eigenen Verstehensprozess zu aktivieren und für die subjektive Sinnzuschreibung zu nutzen.

„Von ‘kulturellem Lernen’ soll demnach insbesondere dann die Rede sein, wenn Lerner des Deutschen als Fremdsprache in der und veranlasst durch die Auseinandersetzung mit deutschsprachigen ‘Texten’ über die ihnen verfügbaren Deutungsmuster reflektieren und diese so anpassen, umstrukturieren, verändern oder weiterentwickeln, dass sie den kulturellen Deutungsmustern, von denen die Texte Gebrauch machen, weit gehend entsprechen und die Lerner in die Lage versetzen, diesen Texten einen kulturell angemessenen Sinn zuschreiben und dazu angemessen (kritisch oder affirmativ) Stellung nehmen können.“ (Altmayer, 2007, S.17f)

WAS IST LANDESKUNDE?